VFB Interview mit Fraktionsvorsitzenden Florian Streibl, Freie Wähler

Florian Streibl, Freie Wähler

Sehen Sie, angesichts der großen allgemeinen Probleme und Themen wie Finanzierungs- und Haushaltsfragen, der kritischen außenpolitischen Situation, die Gefahr, dass die Themen der Freien Berufe (wie z.B. die Aktualisierung der Gebührenordnungen der Heilberufe, der Erhalt des Fremdkapitalverbots, die Stärkung des Selbstverwaltungssystems) in Vergessenheit geraten? Was kann man aus Ihrer Sicht dagegen tun?

Fraktionsvorsitzender Streibl:
Die Freien Wähler stehen voll hinter den Freien Berufen, ich selber bin ja auch Rechtsanwalt, wir sind dafür, die Kammern und Verbände zu stärken.

Wichtig sind die immer wiederkehrenden Gespräche mit der Politik, um den Politikern die große Bedeutung der Freien Berufe immer wieder klar zu machen. Auch die Bedürfnisse und Ansprüche der Freien Berufe, z.B. die Selbstverwaltung, sind richtig und dürfen nicht beschnitten werden. Die flächendeckende Versorgung, die Sie ja auch immer wieder ansprechen, ist wichtig und muss sichergestellt bleiben. Gerade auf dem Land muss die flächendeckende Versorgung erhalten bleiben, z.B. dürfen iMVZs die kleinen Arztpraxen nicht verdrängen.

Die Freien Berufe sichern mit ihrer kleinteiligen Struktur die Daseinsvorsorge vor Ort. Der Arzt, der Apotheker, der Rechtsanwalt, der Architekt vor Ort, sind für die Bevölkerung auf dem Land essentiell, beleben das Dorfbild und sind für die Attraktivität des ländlichen Raums entscheidend.
Zunehmend werden jedoch freiberufliche Aufgaben der Daseinsvorsorge durch gewerbliche Anbieter übernommen, wie steht Ihre Partei dazu?

Die Freien Berufe sind wichtig für das Gemeinwohl und da ist Vertrauen wichtig.

Bei mir in Oberammergau ist das noch so, wir haben noch Ärzte, Architekten, Apotheken und Anwälte vor Ort. Und da ist dann auch das Vertrauensverhältnis gegeben, da ich immer wieder zu meinem Arzt komme, der mich kennt, und nicht in ein Zentrum, wo ich evtl. immer einen anderen sehe. Man kennt und vertraut sich, das ist wichtig.

Sein eigener Chef zu sein ist auch wichtig und erstrebenswert, man muss jungen Menschen Mut machen, sich selbständig zu machen. Es ist viel Arbeit aber es ist auch schön und befriedigend. Das Vertrauen und den persönlichen Kontakt zu seinen Klienten und Patienten aufzubauen ist wichtig und trägt dann das Büro oder die Praxis, egal ob auf dem Land oder in der Stadt.

Dazu kommt die große Belastung durch die Bürokratie, die ja immer mehr wird, und gerade die, oft in kleinen Einheiten organisierten, Freien Berufe stark trifft.Welche Vorschläge hat Ihre Parteien hier ?

Der Abbau der Belastung durch zu viel Bürokratie ist ja ein großes Thema, sowohl bei der neuen Bundesregierung als auch in Bayern. Die Dokumentationspflichten sollen weniger werden, die Bürokratie soll verschlankt werden.

Wir brauchen weniger Staat und dafür wieder mehr Eigenverantwortung, die Bürgerinnen und Bürger müssen wieder mehr Verantwortung übernehmen. In den letzten Jahrzehnten ist immer mehr Eigenverantwortung an den Staat abgegeben worden. Diese muss wieder zurückgegeben werden. Dafür gibt es in Bayern ein „Modernisierungsgesetz“ das jetzt gerade besprochen wird. Aber es ist nicht immer so einfach, denn manche Menschen möchten das auch gar nicht.

Denn leider ist es so, das mit der Bürokratie auch Verantwortlichkeiten verschoben werden können, denn nicht jeder möchte Verantwortung übernehmen, und da ist dann die Bürokratie eine Möglichkeit, die Verantwortung abzuschieben auf jemand anderen.
Als Selbständige*r bin ich immer dafür verantwortlich was ich tue, da kann ich nichts abschieben. Das betrifft alle Freien Berufe.

Wir als Gesellschaft müssen wieder mutiger werden und mehr Verantwortung übernehmen sowie eine andere Fehlerkultur üben, dann kann auch die Bürokratie weniger werden. Die Spirale der Bürokratisierung, in die der Staat in den letzten Jahrzehnten gerutscht ist, muss durchbrochen werden, denn sie ist nicht mehr leist- und finanzierbar.

Kita-Platz-Mangel: Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für Eltern zum Albtraum. Die fehlenden Kinderbetreuungsplätze betreffen alle Arbeitnehmer, egal ob Angestellte oder Freie Berufe. Was kann und will  Ihre Partei dafür tun, dass dies in Bayern endlich verbessert wird?
Schlechte Arbeitsbedingungen und unzureichende Wertschätzung treiben Erzieher aus dem Beruf. Der Erzieherberuf bleibt aber trotz hoher Verantwortung unterbezahlt. Wird Ihre Partei hieran etwas ändern?

Der Berufstand der Erzieherin muss aufgewertet werden und auch mehr qualifizierte Quereinsteiger müssen zugelassen werden. Aber auch hier ist der Fachkräftemangel spürbar, der durch den demografischen Wandel noch verstärkt wird.
Allerdings gehen uns leider auch qualifizierte Frauen für das Berufsleben verloren, weil keine Kinderbetreuung möglich ist.

In Deutschland können wir zwischen 100.000-200.000 Arbeitsplätze nicht mehr besetzen, weil uns die Menschen dafür fehlen. Dazu kommt, dass das Arbeitsvolumen sinkt. Wir brauchen ausländische Arbeitskräfte, unser Land muss für diese attraktiv sein.

Wir müssen auch flexibler werden was die Anerkennung von ausländischen Abschlüssen betrifft. Wir haben ja schon das Problem, dass Deutsch eine schwierig zu erlernende Sprache ist. Und wir müssen mehr Wert auf die nachweisbare Praxis legen als auf schriftliche Abschlüsse.

Ab 1. August 2026 wird stufenweise bundesweit ein Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter eingeführt, zunächst für die Erstklässler im Schuljahr 2026/27.
Wie soll dies trotz Lehrermangels funktionieren und was halten Sie davon, die Freien Berufe hier mehr einzubeziehen (z.B. Künstler lehren kreatives Gestalten).  

Das Angebot für die Ganztagsbetreuung soll mit dem Sachaufwandsträger entwickelt werden, aber die Idee, die Freien Berufe dort mit einzubeziehen, ist sehr gut und wird von den Freien Wählern auch unterstützt.

Die künstlerischen und musischen Fähigkeiten könnten am Nachmittag gut gefördert werden, also Musik, Theater, Kunst. Das fördert auch die sozialen Kompetenzen der Kinder. 60% der Kinder, die heute in die Grundschule gehen, werden später in Berufen arbeiten, die wir heute noch gar nicht kennen, laut der Aussage eines großen Software-Unternehmens. Also müssen wir nicht nur Wissen vermitteln, sondern auch Team- und Kommunikationsfähigkeit.

 Die Ausbildung an den Berufsschulen folgt in vielen Fällen völlig veralteten Lehrplänen (teilweise 15 Jahre und älter), was dem Ausbildungsstandard nicht dienlich ist. Und im Hinblick auf den immer größer werdenden Fachkräftemangel eher alarmierend. Wird Ihre Partei an dieser Situation etwas ändern bzw. welche Vorschläge gibt es bereits und warum dauert es so lange, bis die geplanten Änderungen in die Praxis umgesetzt werden? 

Die Lehrpläne werden über die Sozialpartner auf der Bundesebene gespielt, da kann das Land Bayern nur über die Kultusministerkonferenz der Länder mitsprechen.

Aber das ist in Arbeit, die Lehrpläne sollen angepasst werden. Gerade im medizinischen Bereich hat sich ja in den letzten Jahren sehr viel getan, da ist z.B. KI dazu gekommen, das muss im Lehrplan berücksichtigt werden.
Aber das betrifft auch die Lehrpläne für die Grundschularten, auch da muss einiges angepasst werden.

Wir danken für das angenehme Gespräch und es freut uns sehr, dass wir mit der Fraktion der Freien Wählern bei vielen Themen auf einer Linie liegen.

In der Fraktion sind viele Freie Berufe vertreten, so dass wir genau wissen, wo die Probleme liegen. Und wir freuen uns darauf, diese mit Ihnen zusammen zu lösen.


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