VFB Interview mit Klaus Holetschek, Fraktionsvorsitzender CSU
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Der Aufstieg von Populisten sowie die Vermengung von Fakt und Fiktion durch Fake News verändern nicht nur den politischen Prozess in Deutschland und anderen westlichen Demokratien, sondern auch die Gesellschaften an sich.
Welchen Herausforderungen stehen Politiker heute gegenüber? Können sie einen ruhigen, sachlichen Gegenpol setzen, oder müssen sie ihrerseits den Gepflogenheiten der neuen Medien folgen, um Gehör zu finden?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Ich denke, wir müssen auf jeden Fall anhand der Fakten immer wieder eine Korrektur vornehmen. Es ist wichtig, dass man sachlich argumentiert, aber nichtsdestotrotz müssen wir uns natürlich auch anpassen und den politischen Diskurs mitgestalten. Wichtig ist in der Mediennutzung auch die Frage, wie erreiche ich wen, welche Zielgruppe ist wo? Wir müssen dort mitspielen und präsent sein. Wir wollen da niemandem das Feld überlassen, der dort anscheinend dominiert und immer wieder seine Blasen bedient und gezielt einseitige Informationen ausstreut. Deswegen gilt, dass eine Partei wie die CSU, die in der Mitte der Gesellschaft ist, natürlich auch TiK Tok und andere soziale Medien mit in den Fokus nehmen muss.
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Das ist sicherlich richtig, aber wie sehen Sie das persönlich, wenn unser Ministerpräsident Markus Söder postet, dass er heute Currywurst oder ähnliches gegessen hat. Er hat unglaublich viele Follower, ist damit erfolgreich, zieht also viele in den Bann und kriegt Aufmerksamkeit. Aber schon meine Generation, also die 50-Jährigen sind eher befremdet und fragen sich: ist das noch Politik?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Ich finde, er macht es ausgezeichnet und sie haben ja selber gesagt, wieviel Follower er hat. Das beweist, dass er die Menschen durch die sozialen Medien erreicht. Trotzdem sind es überwiegend politische Botschaften, die der Bayerische Ministerpräsident postet. Ich tue das auch auf meinen Kanälen. Wenn ich heute einen Post mache, dass ich in den Bergen zum Wandern bin oder ähnliches, dann habe ich tatsächlich mehr Klicks, als wenn ich zum 25. Mal zur Entbürokratisierung Stellung nehme. Das ist die Realität. Auch wenn ich mal mit meinem Sohn koche oder im Fitnessstudio bin habe ich eine größere Reichweite als mit politischen Posts. Das bietet einfach die Chance, den Menschen zu zeigen: das ist einer von uns, der isst eben Currywurst oder Rostbratwürstel oder andere Dinge. Und auf der anderen Seite sind es auch politische Botschaften, die man damit transportieren kann. Ich finde, das gehört dazu, man muss sich der modernen Art der politischen Kommunikation anpassen.
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Die Freien Berufe sichern mit ihrer kleinteiligen Struktur die Daseinsvorsorge vor Ort. Der Arzt, der Apotheker, der Rechtsanwalt, der Architekt vor Ort, sind für die Bevölkerung auf dem Land essentiell, beleben das Dorfbild und sind für die Attraktivität des ländlichen Raums entscheidend.
Zunehmend werden jedoch freiberufliche Aufgaben der Daseinsvorsorge durch gewerbliche Anbieter übernommen. Stichwort: Bedrohung der freiberuflichen Organisationsstruktur der ambulanten Versorgung durch iMVZ bzw. Verdrängung von Architekten und Ingenieuren durch General - Über und Unternehmer. Wie steht ihre Partei dazu? Wie will man den Freien Berufen helfen oder dagegen vorgehen?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Die Freien Berufe sind das Rückgrat der Daseinsvorsorge. Wir, als CSU-Fraktion stehen hinter ihnen, weil sie unglaublich wichtig sind. Ich kann das selbst bestätigen als Angehöriger eines Freien Berufs, ich bin ja Rechtsanwalt. Aus meiner Zeit als Gesundheitsminister weiß ich: Ärztinnen und Ärzte, Apothekerinnen und Apotheker sind ganz wichtig. Ich kann Ihnen sagen, dass wir alles tun müssen, dass die Versorgung nicht von der Renditeerwartung dominiert wird, Stichwort iMVZS. Das ist der falsche Weg. Wir, als CSU-Fraktion haben auch versucht, dagegen vorzugehen, auch zu regulieren. Leider hat der ehemalige SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach das nicht mehr umgesetzt. Aber das steht jetzt wieder im Koalitionsvertrag drin und ich hoffe, dass das von der Bundesregierung jetzt auch umgesetzt wird. Der Freie Beruf muss unbedingt als ein zentrales Wesenselement in unserer Gesellschaft und unserer Wirtschaft erhalten bleiben. Und wir müssen natürlich im Blick haben, wann Dinge in eine falsche Richtung gehen, letztlich auch zu Lasten der Menschen, Stichwort nochmal ärztliche Versorgung, die nicht rein renditeorientiert sein darf, und wo der Staat dann regulierend eingreifen muss.
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Dann kommen wir jetzt zum Bereich der Freien Heilberufe, den Sie als ehemaliger Gesundheitsminister sehr gut kennen. Sie wissen ja auch, dass bei den bei den Ärzten*innen immer mehr der Trend zum Angestelltenverhältnis geht, weg von dem niedergelassenen Arzt. Ein Grund liegt auch in den zahlreiche Regulierungen, der überbordenden Bürokratisierung und der Arbeitgeberverantwortung als selbständiger Arzt. Wie können Sie die Niederlassung als selbständige Ärztin oder selbständiger Arzt politisch unterstützen?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Wir müssen auf jeden Fall das, was wir jetzt schon angefangen haben, in Bayern und hoffentlich im Bund, weiter durchziehen. Wir müssen das Thema Bürokratieabbau als ein zentrales Vorhaben begreifen. Wenn Menschen mehr Zeit verbringen mit Dokumentationsarbeit oder am Computer als in der Versorgung anderer Menschen, also ihrer Kernkompetenz, dann läuft etwas schief. Diese überbordende Bürokratie hat viel mit Haftungsfragen, mit Dokumentation, mit Einzelfallgerechtigkeit zu tun. Kontrollinstanzen und Prüfungsinstanzen sind mittlerweile überbordend, das braucht man nicht zu beschönigen, es ist so. Leider ist es nicht einfach, das von heute auf morgen zu revidieren, weil es komplex ist, weil es nicht nur Paragraphen sind, es ist der Vollzug, es ist die Selbstverwaltung, es ist die Rechtsprechung. Aber es ist unweigerlich die absolute Notwendigkeit vorhanden, dies zu korrigieren, damit Menschen sich wieder dem widmen können, was sie gerne tun, nämlich ihren Beruf ausüben, und das mit Herzblut und Leidenschaft und letztendlich dann zum Nutzen der Patienten, Mandanten oder Kunden.
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Ich habe in Ihrem Lebenslauf gelesen, dass Sie auch Kinder haben, und so kommen wir zum Thema Kita Platzmangel. Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird für Eltern zum Albtraum. Die fehlenden Kinderbetreuungsplätze betreffen alle Arbeitnehmer, egal ob Angestellte oder Freie Berufe. Und wir brauchen es, dass die Frauen mehr arbeiten und die Möglichkeit bekommen, wieder in den Beruf zurück zu können, gerade in den Zeiten von Fachkräftemangel. Was kann und will Ihre Partei dafür tun, dass dies in Bayern endlich verbessert wird?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Wir haben das Angebot ja schon aufgebaut. Wir haben in Bayern familienpolitische Leistungen, die andere nicht haben. Wenn ich alleine an das Thema Elterngeld oder Familiengeld denke, das reformiert worden ist in ein Startergeld von 3.000 Euro und der Rest wird benutzt, um in die Strukturen weiter zu investieren. Verlässliche, zuverlässige Betreuungsmöglichkeiten sind wichtig, Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein großes Thema. Wir müssen schauen, dass wir vor allem die Fachkräfte auch halten. Unsere bayerische Sozialministerin hat hier viel getan. Das wird sich auszahlen in der Zukunft und da bleiben wir definitiv dran.
Wichtig für mich an dieser Stelle: Es geht nicht nur um verlässliche Plätze für Kinderbetreuung. In der Zukunft wird auch das Thema Pflege eine überragende Rolle spielen und auch da wird die Frage sein, habe ich die Chance zuverlässig Tagespflege, Nachtpflege, oder Kurzzeitpflege zu bekommen. Auch da sind es ja oft die Frauen, die dann eben in dieser Sandwich-Position sind, auf der einen Seite Kinder und Beruf, auf der anderen Seite Eltern, Schwiegereltern, die mitbetreut werden müssen. Also da ist viel Druck. Und wenn wir die Frauen trotzdem in den Arbeitsprozessen halten wollen, dann müssen wir ihnen die Möglichkeiten der Entlastung geben und zwar zuverlässige Alternativen.
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Da können wir nur zustimmen. Eine Lösung könnte die schnellere Anerkennung von ausländischen Abschlüssen sein, z.B. in der Pflege und in der Kinderbetreuung, eigentlich in allen Bereichen. Was tut die CSU dafür, dass solche Anerkennungen schneller erfolgen können?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Das haben wir ganz gut hingekriegt. Ich habe in meiner Zeit, als Gesundheitsminister noch eine Fast Lane eingerichtet beim Landesamt für Pflege, wo die Dinge vollständig digitalisiert worden sind und wo wir tatsächlich sehr, sehr schnell geworden sind bei dieser Anerkennung. Das Problem ist oft, die Visa noch zu kriegen, da sind die Botschaften oft noch ein Flaschenhals, aber die Anerkennung läuft inzwischen, was Pflege angeht, wesentlich besser. In anderen Berufen muss man da auch nachjustieren, aber diese Fast Lane, die es gibt, hat sich bei der Pflege tatsächlich bewährt.
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Bei uns ist ja häufig so, dass den ausländischen Menschen nicht die Praxiserfahrung fehlt, aber das deutsche Zeugnis. Also Prüfungen wieder gemacht werden müssen oder Zusatzprüfungen, was alles viel Zeit braucht. Während in anderen Ländern, vor allem in Skandinavien, dann einfach auch mal auf die Praxiserfahrung geschaut wird.
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Thema Kenntnisprüfungen - wir sind da auch inzwischen etwas abgewichen und haben mehr Flexibilität ins System gebracht, weil es richtig ist. Es gibt immer noch die große Überschrift - wer mit Menschen arbeitet, der muss es auch nachweisbar können. Da sind wir wieder bei Haftungsfragen, Dokumentationen usw.. Aber ich bin der Meinung, man muss da einfach praktikable Lösungen finden, eben eine Kombination von Kenntnisprüfungen und dazu auch Learning by doing unter der Anleitung von anderen, praxiserfahrenen Personen.
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Dann komme ich zum Thema Rechtsanspruch auf die Ganztagsbetreuung in der ersten Klasse der Grundschule, das soll ja ab Herbst 2026 eingeführt werden. Wie soll das trotz Lehrermangel funktionieren? Es ist ja jetzt erstmal nur für die Erstklässler, aber soll ja stufenweise weiter gehen. Und man hört jetzt schon aus den Schulen, da sind zu wenig Lehrer vorhanden um das leisten zu können.
Wie sehen Sie die Möglichkeit, dass zum Beispiel Freie Berufe Betreuungs-Programme mitgestalten, dass zum Beispiel freie Künstler nachmittags kreatives Gestalten anbieten?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Also ich glaube, dass wir alles dafür tun müssen, dass der Beruf des Lehrers wieder attraktiver wird, auch durch Gehaltsanpassungen. Stichwort Anhebung der Eingangsbesoldung von Grund- und Mittelschullehrkräften auf A 13. Das ist das eine. Wir müssen uns aber auch mit dem Thema Teilzeit noch einmal beschäftigen. Die Möglichkeit, ein bisschen mehr zu arbeiten, muss attraktiver gestaltet werden. Wir werden den Ganztag mit den vorhandenen Lehrern nicht leisten können, wir brauchen Flexibilität, das heißt, wir müssen z.B. Vereine und auch Freie Berufe mit einbeziehen. Ich bin sehr dafür, ein sehr flexibles System anzulegen, das dann auch diese Möglichkeiten eröffnet und dann Entlastung bringt um letztlich den Rechtsanspruch der Ganztagsbetreuung zu gewährleisten.
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Dann komme ich schon zur letzten Frage. Die Ausbildung an den Berufsschulen folgt z.B. bei den Ärzten und Zahnärzten völlig veralteten Rahmenlehrplänen (teilweise 15 Jahre alt), was dem Ausbildungsstandard nicht dienlich ist. Wird Ihre Partei an dieser Situation etwas ändern bzw. welche Vorschläge gibt es bereits und warum dauert es so lange, bis die geplanten Änderungen in die Praxis umgesetzt werden?
Fraktionsvorsitzender Holetschek
Definitiv, weil das natürlich für die Praxen, für medizinische Fachangestellte, zahnmedizinische Fachangestellte ein Riesenthema ist. Aber auch da müssen wir die Berufe attraktiver gestalten, es ist in den letzten Jahren ja viel hinzugekommen. Beispielsweise Digitalisierung, Übertragung von Heilkunde, Entlastung für die Ärzte und Ärztinnen. Also viele Dinge, die jetzt möglich sind müssen angepasst werden, aber das ist tatsächlich ein Thema des Bundes.
Ich will mich da jetzt nicht rauswinden mit Zuständigkeiten, weil das am Ende des Tages ja niemandem hilft, aber wir haben hierzu mehrere große Antragspakete, auch im Bayerischen Landtag geschnürt. Bernhard Seidenath, unser Vorsitzender des Gesundheitsausschusses, der hierfür federführend ist, wird versuchen, das mit anzustoßen und auch mit Nachdruck zu vertreten. Wir müssen die Attraktivität der Berufsbilder und letztendlich auch die Bezahlung verbessern und zum Ende auch die Ausbildungs-Pläne anpassen. Mit modernen Inhalten, über Digitalisierung bis hin zum Thema künstliche Intelligenz. Das sind Bereiche, die dann die Teams in den Praxen auch betreffen, nicht nur den Arzt und die Ärztin, sondern letztendlich das ganze System in der Praxis. Hier besteht dringender Handlungsbedarf. Dieser findet sich auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung.
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Dann hoffen wir auf eine schnelle Durchsetzung der wichtigen Punkte.
Herr Holetschek, vielen Dank für das Gespräch und dass sie sich die Zeit genommen haben. Wir bleiben im Kontakt.